Mein Chef nannte mich Wichser

Ich treffe meine eigenen Entscheide und lasse mich nicht beeinflussen.

Jonas absolvierte die Lehre als Koch – und da wurde auch mal ein etwas rauer Ton angeschlagen. Was für den 22-Jährigen völlig normaler Alltag war, bezeichnet sein Umfeld allerdings als Mobbing.

Jonas* ist auf Jobsuche. Für seinen Abschluss als Koch fehlt dem 22-jährigen Zürcher nur noch die finale Prüfung. Doch diese hat er bisher nicht gemeistert. Wieso? Seine Erklärung dafür ist «Prüfungsangst». Sein Umfeld findet aber: Jonas wurde auf der Arbeit gemobbt, schafft deshalb den Abschluss nicht.

«Während der Lehre war es oft nicht einfach für mich, aber als Mobbing würde ich das nicht bezeichnen», erzählt uns Jonas. Seine Familie habe schlichtweg ein falsches Bild vor Augen, nur Geschichten von durch die Küche fliegenden Baked Potatoes und fluchenden Chefs mitbekommen. «Das ist halt die harte, klare Hierarchie, die in der Gastronomie herrscht. Und wahrscheinlich vor allem an jungen, unerfahrenen Lehrlingen nagt», sagt er.

«Ich war oft der Arsch vom Dienst»

«Anfangs war ich geschockt von den Umgangsformen und der vorherrschenden Stimmung, das gebe ich zu», erzählt Jonas. Doch in der Gastro wehe ein anderer Wind, daran gewöhne man sich schnell. Dass Lehrlingen aber kaum bis gar kein Respekt entgegengebracht wird, die Anfänger aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung gar nicht wissen, was angemessene Umgangsformen bedeuten – dem steht Jonas entspannt gegenüber. Schliesslich gehöre der raue Ton halt einfach dazu.

«Als einziger Lehrling im Betrieb war ich oft der Arsch vom Dienst», sagt Jonas. Als Anfänger müsse man sich halt so gut wie alles gefallen lassen. Unschöne Arbeitszeiten inklusive: «16 Stunden pro Tag zu arbeiten, muss man hinnehmen, ohne sich zu beschweren.» Und sich am Wochenende auf Partys blicken lassen zu wollen, das könne man sich ganz schnell abschminken.

Klares Ziel vor Augen

Auf Arbeiter mit fehlendem Fachwissen könne das restliche Team ausserdem keine Rücksicht nehmen. Statt etwas zu lernen, beinhaltete die Arbeit für den Teenager also vor allem eines: Tagelang nichts ausser Gemüse rüsten, den Dreck der anderen putzen und sich beschimpfen lassen. Wer den Chef nämlich wütend machte, wurde beleidigt. «Dass ich ein Wichser sei, hab ich pro Woche mindestens einmal gehört.» Ein richtiger Traumjob also.

«Ich stand oft kurz davor, die Lehre abzubrechen, einfach alles hinzuschmeissen», erzählt der angehende Koch. Der 22-Jährige habe aber stets ein Ziel vor Augen gehabt – sein Diplom. In diesem Job müsse man definitiv ein dickes Fell haben, um nicht unterzugehen. «Für Büroangestellte, die sich eine etwas andere Atmosphäre gewohnt sind, wirkt wohl jede meiner Geschichten krass und mobbing-verdächtig.» Er selber bleibt aber dabei: «Ich bin kein Mobbing-Opfer.»

Viel Stress und ungewohnte Arbeitszeiten

Genau wie Jonas, geht es auch zahlreichen anderen Jugendlichen in der Gastro-Branche: Fast 20% der Lehrlinge schmeissen ihre Lehre oder wechseln in einen anderen Betrieb. «Im Gastro-Gewerbe ist man viel auf den Beinen, ständig von Hektik umgeben und die Arbeitszeiten reichen auch mal von frühmorgens bis spätabends», sagt Peter Sutter, Projektleiter QualiGastro des Kanton Berns. Das liegt nicht jedem.

Wenn sich Jugendliche dann auch noch aufgrund mega lässiger Kochsendungen im TV für die Lehre als Koch entscheiden statt sich ernsthafte Gedanken über den zukünftigen Job zu machen, werden sie bei Beginn der Lehre sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Um «backe, backe Kuchen» gehts da nämlich nicht. Und auch Arbeitgeber, die den Interessen und Motivationen der Jugendlichen zu wenig Achtung schenken, die schulischen Leistungen nicht überprüfen, stellen einen Grund für die hohe Quote für Lehrabbrüche und Auflösungen dar. Weils einfach nicht passt. Und das Selektionsverfahren definitiv nicht tiefgründig genug war.

«Ein derartiger Umgang gehört nicht zum Job als Koch»

Der Projektleiter könne sich vorstellen, dass junge Menschen wie Jonas da vom Wirbel und dem nicht ganz gewohnten Ton in der Küche überrascht, gar übermannt werden. «Dass ein derartiger Umgang, wie ihn Jonas erlebt hat, aber zum Alltag als Kochlehrling dazugehört, das würde ich nicht unterschreiben», erzählt Sutter. Ausbildner, die der Verantwortliche des QualiGastro-Projekts bisher angetroffen hat, hätten allerdings stets versucht, den Lernenden ihren Beruf schmackhaft zu machen, statt diese zu frusten.

Für Fälle wie denjenigen von Jonas, schafft QualiGastro allerdings Abhilfe: «Lehrlinge, die sich im Betrieb nicht wohlfühlen, können sich an die Ausbildungsberatung wenden, sich direkt beim Projekt melden oder aber ihr Anliegen im dafür eingerichteten Kummerkasten ablegen», sagt Sutter. Statt sich zu verkriechen und die Beleidigungen persönlich zu nehmen, sollten Jugendliche definitiv die Hilfe in Anspruch nehmen, die ihnen angeboten wird